millernet schrieb:
Einerseits finde ich es löblich, dass ein halbstaatlicher Konzern private Mittel im Milliarden Bereich zum Breitbandausbau in der Schweiz aufwendet, andererseits kommt dieser Ausbau etwas spät wie die Alte Fasnacht und lässt eine bereits obsolete Technologie wie Kupfer unter dem Deckmantel "Glasfasertechnologie" neu aufleben. Eigentlich sollte man Swisscom die Verwendung des Begriffes "Glasfaser" verbieten. Gemäss dieser Definition war ja bereits ISDN "Glasfaser", denn irgendwo im Netz verwendete Swisscom bereits damals Glasfaser als Übertragungsmedium. Offenbar muss Swisscom zwangsläufig mit dem Wettbewerb mithalten und baut jetzt im Panikmodus und mit sehr viel Manpower die Netze aus, da man die letzten Jahre einfach geschlafen hat. Die Kabelnetze (HFC) sind bald im Gigabit-Bereich unterwegs (DOCSIS 3.1) und bieten heute bereits in vielen Gemeiden 500 Mbit/s Downstream mit 50 Mbit/s Upstream. Diese Geschwindigkeiten werden zudem überall im Netzwerk erreicht, unabhängig von der Distanz zum Node. Bei Swisscom erreicht man nur im besten Fall, meist FTTB-Ausbau, überhaupt 500 Mbit/s. Die Bandbreite nimmt mit dem Abstand zum uCAN (Node) und der Leitungsqualität meist rapide ab. Dafür ist die Bandbereite nicht "geshared" wie bei HFC-Netzen üblich, kann jedoch durch allerlei Störeinflüsse wie Leitungsqualität, Gewitter, Bridge-Taps, Lötstellen, alte Kupferleitungen usw. stark beeinflusst werden. Swisscom baut damit einen inhomogenen Flickenteppich mit Bandbreiten-Lotterie, statt auf nachhaltige Technologien wie FTTH zu setzen. Sogar in Neubaugebieten wird heute in vielen Fällen immer noch Kupfer verbaut, da Swisscom FTTH nur mit viel Eigenbeteiligung des Bauhers macht.
Teilweise ist es ziemlich fragwürdig, welche Gemeinden Swisscom bereits als "ausgebaut" erachtet. Als Beispiel nenne ich Grossdietwil in Luzern: Wenn man mal mit dem Checker einige Häuser durchklickt, welche sich im Dorfzentrum oder etwas am Rande (immer 200 Meter Luftlinie zum Dorfkern, keine Bauernhöfe...) befinden, erreichen nur sehr wenige überhaupt 100 Mbit/s. Viele dürfen sich mit 80 Mbit/s oder weniger abgeben, mit Glück gibt's mit dem Internet-Booster 100 Mbit/s. Dies nennt Swisscom "ausgebaut"? Der Incumbent baut einfach eine Mehrklassengesellschaft:
- Open Access-FTTH-Netze in grösseren Städten, welche in Koorperation errichtet wurden (1. Klasse)
- FTTH in ausgewählten Wohnanlagen und nur gegen Bezahlung mit eingeschränkter Anbieterwahl (2. Klasse)
- Klingeldraht Boost Ultra Hyper Gaga (FTTS mit G.fast) für noch mehr Segmentierung, Störungsanfälligkeit und Bandbreitenlotterie (3. Klasse)
- FTTS mit VDSL, weil man noch keine muCAN's mit G.fast in der Planungsphase verfügbar hatte und diese in den kommenden Jahren auch nicht austauschen wird... (4. Klasse)
- FTTC mit VDSL (alias "FTTD - Fiber to the Dorf") wo es Swisscom mit einem weissen MFG pro Dorf und eher langen Leitungslängen für getan hält. Zu viele Manholes für zu wenige zahlende Kunden sind teuer. Vor allem wenn im ländlichen Bereich noch Kabelnetze die Suppe versalzen. (5. Klasse)
- FTTC mit ADSL2+ über Freileitung und Internet-Booster-Casino (nur mit viel Glück....) für die armen Schlucker auf dem Lande. Das Internet ist dann auch gut und gerne je nach Wetterlage (Gewitter) gerne gestört. (6. Klasse)
- Berggebiete oder abgelegene Siedlungen mit Mobilfunk- oder Sattelit. Vielleicht bald mit 5 G? (https://www.swisscom.ch/de/about/medien/aktuell/5g-test-guttannen.html) (7. Klasse) ==> 5G ist für solche Applikationen eine gute Sache. Damit lassen sich abgelegene Siedlungen mit wenigen Teilnehmern recht ordentlich versorgen. Gespannt bin ich jedoch auf die Störungsanfälligkeit (Gewitter, Regen, Schnee).
Bald wird es mit FTTH GPON noch eine weitere "Kaste" an Schweizer Bürgern geben. Diese dürfen sich dann die fürstlich bezahlte Bandbreite pro Splitter auch noch teilen.
Vergleichen wir doch mal zu unserem nördlichen Nachbarn Schweden (9.903 Mio. Einwohner, 23 Einwohner / km) mit der Schweiz (8.372 Mio Einwohner, 204 Einwohner / km): In Schweden sind die Visionen um einiges grösser und nachhaltiger als in der kleinen und dicht besiedelten Schweiz. https://www.government.se/496173/contentassets/afe9f1cfeaac4e39abcdd3b82d9bee5d/sweden-completely-connected-by-2025-eng.pdf …
Fairerweise muss aber gesagt werden, dass Schweden hier bei sehr abgelegenen Siedlungen auch auf Funk (5G, Fixed Wireless/Richtfunk oder Sattelit) setzen will. Aber ich kann aus eigener Erfahrung berichten, dass auch sehr abgelegene Siedlungen mit anständigen Internetanbindungen ausgerüstet sind, meist basierend auf Glasfaser oder HFC (Com Hem).
Nach dem interessanten Swisscom-Internet-Klassifizierungssystem gemäss @millernet bin ich aktuell gerade in der 3. Klasse der Swisscom-Kunden angekommen und möchte nachfolgend mal noch kurz meine ersten Praxis-Erfahrungen mit FTTS g.fast schildern.
Hier zuerst mal das Resultat der kürzlich erfolgten FTTS g.fast-Aufschaltung:

Nach gut 2 Tagen keinerlei CRC-Fehler, gute Syncwerte, die versprochenen 500/120 mBit/sec des Checkers stehen wirklich voll zur Verfügung.
Glaube die mCAN-Monteure und die Glasfaser-Spleisser des FTTS-Ausbaus haben wirklich gut gearbeitet. Vielen Dank also an die Handwerker.
Und nun noch meine ersten Praxiseindrücke:
Natürlich freue ich mich jetzt über die bessere Festnetzerschliessung an meinem Wohnort, aber der Ehrlichkeit halber muss ich auch sagen, die 100/20, welche ich bereits mit Bonding hatte (50/15 Kupfer, 50/5 LTE) haben meine Anforderungen eigentlich auch bereits gut erfüllt. (Um den Wechsel wirklich beurteilen zu können, habe ich übrigens mein Vivo M auf Internet L upgegradet. Bei meinem Anschluss hat also der Ausbau auch direkt zu Mehreinnahmen für die Swisscom geführt, was ja nicht bei allen Kunden der Fall sein muss)
die Verfünffachung im Download von 100 auf 500 mBit ist beim normalen Surfen eigentlich nicht mehr von Bedeutung
die Versechsfachung im Upload von 20 auf 120 lädt Fötelis und meine verschlüsselten Backups wesentlich schneller auf Cloud-Server hoch, bringt also wirklich noch was
FTTS löst als Nebeneffekt vermutlich mein Kupferproblem mit gelegentlichen CRC's (bewirkte bei mir immer einen Senderwechsel im Internet-Radio). FTTS steigert also ev. auch die grundsätzliche Stabilität der Verbindung (so Gott will und der mCAN hoffentlich weiterhin perfekt läuft)
FTTS hat mich von den Restriktionen des LTE-Bonding-Proxys entbunden. Konnte nach 2 Jahren und vielen eigenen Tests zwar ganz gut damit umgehen, aber für "Booster-Beginner" ist das sicher nicht immer ganz so einfach und leider immer noch nicht transparent dokumentiert
Als Fazit der ersten 4 Tage von FTTS g.fast habe ich also einen sehr guten Eindruck und fühle mich damit definitiv in der 3. Klasse der Internet-Kunden willkommen geheissen (1. Klasse und 2. Klasse wären für mich dann halt immer noch direktes FTTH).
Falls bei FTTS bei den Accessprofilen in Zukunft vielleicht mal anstatt 500/120 auch 300/300 zur Verfügung stehen würde, würde ich dann allerdings sofort auf das symetrische Profil wechseln, denn der Grenznutzen der zusätzlichen Geschwindigkeit ist beim Upload einfach noch wesentlich höher.
Und wenn auf Grund der geringeren Maximalleistung FTTS ein wenig weniger kosten würde als FTTH, würde ich das den Kunden gegenüber eigentlich auch noch für fairer empfinden und rückblickend gesehen waren die 100/20 bei der Swisscom (nur 10 CHF/Monat billiger als Internet L mit bis 1Git/symmetrisch) sowieso einfach zu teuer.