Also, ich versuche mal, das ganze aus der Perspektive von @Anonym (Guido Tranel, dem Verantwortlichen bei der Swisscom) anzuschauen. Gemäss Xing-Profil hat er eine Banklehre im Ostfriesischen gemacht, dann Betriebswirtschaft studiert und anschliessend 15 Jahre in Deutschland und der Schweiz im Controlling gearbeitet. (Anschliessend war er dann "Head of Best Internet Story, Convergent & Wireline Experience", in diesem Zusammenhang wohl eher ironisch zu verstehen) Deshalb der Versuch, das ganze mal aus der wirtschaftlichen Perspektive anzusehen: 1) Swisscom bietet grundsätzlich gute Produkte und guten Kundendienst an und geniesst in der Schweiz ein mit Jahrzehnten guter Leistung aufgebautes sehr starkes Kundenvertrauen und eine starke Marke 2) Auf dieser Basis ist es Swisscom gelungen, zusätzlich zu Telefoniediensten erfolgreich auch Internet und TV zu verkaufen. 3) Nun kommen Konkurrenten: - TV: internationale (Netflix) und nationale (Wilmaa, Teleboy) - Telefonie: VOIP-Anbieter wie Peoplefone - Internet: FTTH-Anbieter wie fiber7 Die Konkurrenz-Anbieter sind ausreichende oder z.B. im Fall von fiber7 sogar bessere Substitute für das Swisscom-Angebot 4) Was tun? Es gibt einen offensiven und einen defensiven Weg. Den offensiven hat der leider verstorbene Carsten Schloter gewählt: Swisscom zum besten Anbieter machen und damit dem Bedürfnis und der Zahlungsbereitschaft (wie auch den echten Zahlungen) der Schweizer Kunden gerecht werden 5) Der defensive Weg ist der, den offensichtlich @Anonym wählt: - Die Konkurrenten (wie Netflix) aktiv oder durch Nicht-Handeln schlechter nutzbar machen und damit die relative Wettbewerbsposition von Swisscom TV gegenüber Netflix stärken (und so die Kunden beim bequemen und für Swisscom sehr rentablen Bundle halten). - Wenn Netflix möchte, noch eine Wegelagerer-Steuer von ihnen für Selbstverständlichkeiten wie direktes Peering einfordern. Haben zwar die Endkunden schon bezahlt dafür, aber eine zweite Ertragszeile im Excel macht zusätzlich Spass. - Kommunikativ direkt mit den Kunden vordergründig hilfsbereit, aber unverbindlich tun, und selbstverständlich nix wirklich tun, weil wenn Netflix besser ginge, würde Swisscom TV ja relativ schlechter werden. - Und politisch natürlich noch grosse Worte finden mit einem Verhaltenskodex zur Netzneutralität (http://www.s-nn.ch/Verhaltensrichtlinien.htm) Soweit, so gut. Wenns keiner merkt, funktioniert das perfekt, in @Anonyms Excel sieht alles super aus, das Controllerherz schlägt höher. Leider gibt es aber jetzt das Internet, und jeder der diesen Thread liest, kann sich von den wieseligen Ausreden überzeugen. Sowie vom Versuch der Swisscom, eine ganz einfache Sache, die sich ganz einfach lösen lässt (direktes Peering mit Netflix, möglich alleine in ZH an drei Orten) zu einem netzwerkmässigen Voodoo-Thema hochzustilisieren. Damit die Rechnung "aus Swisscom-Sicht bösen Traffic mutwillig verlangsamen lohnt sich für die Swisscom" nicht mehr aufgeht, müssen wir alle massiv reagieren, am besten mit Kündigung oder mit öffentlichen Reaktionen auf Twitter oder Facebook. Erst wenn die Swisscom sieht, dass es den Wert ihrer Brand angreift, geht @Anonyms Netflix-Verhinderungs-Excel nicht mehr auf. Schade, dass es mit der Swisscom soweit gekommen ist. Schade auch, weil mir an deren Aktienmehrheit als Schweizer Steuerzahler und Staatsbürger auch ein ganz klein bisschen gehört.
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